Muslimische Mütter in Einkaufszone vor Ladengeschäft; Bild: justhavealook/istock
Am 20. Oktober 2014 demonstrierten in Dresden unter der Bezeichnung PEGIDA erstmals "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes".
Der Begriff der "Abendländer" taucht im 16. Jahrhundert auf. Er konstruierte den westlichen Teil des Römischen Reiches als einen einheitlichen romanischen, germanischen und christlich-katholischen Kulturraum (Okzident) in Abgrenzung von der islamischen Welt und der orthodoxen Kirche Osteuropas (Orient).
Im Nationalismus der deutschen Romantik des 19. Jahrhunderts richtete sich "Abendland" als Abgrenzung verstärkt gegen das Judentum.
In den ersten zwei Jahrzehnten nach 1945 diente die "abendländische Kultur" [Sh. CDU-Plakat von 1946] als Bollwerk gegen die drei Bedrohungen des bürgerlich-konservativen Gesellschaftsmodells:
Das dreigliedrige Schulsystem, die Bekenntnisschule und der altsprachliche Unterricht an den Gymnasien garantierten bis Mitte der sechziger Jahre Schutz vor Veränderungen.
Heute ist "Abendland" ein Kampfbegriff gegen vermeintliche "Islamisierung" und "Überfremdung".
Bei diesem kurzen Blick zurück in die Geschichte wird ersichtlich, dass der Begriff "Abendland" immer wieder grundlegenden Wandlungen unterworfen war, in verschiedenen Epochen neu interpretiert und instrumentalisiert wurde.
Der Volljurist und Rechtshistoriker Ralf Oberndörfer hat für die FES OnlineAkademie untersucht, wie Religionen in Deutschland wahrgenommen und debattiert werden. Dabei liefert er auch einen Rückblick in die Vergangenheit und zeigt die Bedeutung der (positiven wie negativen) Religionsfreiheit als Grundrecht auf. Schließlich skizziert Oberndörfer - vor dem Hintergrund einer sich zunehmend ausdifferenzierenden deutschen Gesellschaft - die Potenziale einer säkular strukturierten Leitkultur.
Ralf Oberndörfer ist Volljurist und arbeitet als freiberuflicher Rechtshistoriker in Berlin. Für die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem leitete er von 1999 bis 2009 ein Rechercheprojekt in verschiedenen deutschen Archiven. Aktuell beschäftigt er sich mit der deutschen Justiz- und Polizeigeschichte des 20. Jahrhunderts, der Bekämpfung Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und mit Menschenrechtsbildung. Mehr: www.histox.de