Fremd im eigenen Land: Besatzungskinder im Nachkriegsdeutschland


von Silke Satjukow

Erster Schultag - Kindergruppe, einschließlich "Besatzungskinder", mit Schultüten auf Schulhof (undatiert), Bild: picture-alliance / dpa / Koll

  • Mojssej und Helene


    Mojssej und Helene verlieben sich im Sommer 1945. Der sowjetische Leutnant und die aus Ostpreußen geflüchtete Deutsche verbringen viel Zeit miteinander, es dauert nicht lange und Helene wird schwanger.

    Wenige Tage vor der Niederkunft gesteht ihr Geliebter, dass er Mitteldeutschland verlassen und in die Heimat zurückkehren muss. Er drückt ihr einen Zettel mit seinen Kontaktdaten in die Hand, umarmt sie und geht.

    Er verlässt seine Liebe nicht freiwillig, doch als Jude hat er Angst, dass seine heimliche Beziehung zu einer Einheimischen von der sowjetischen Militäradministration hart bestraft werden könnte.

  • Kinderheim


    Helene muss nun allein für das Baby sorgen; sie glaubt, keine Wahl zu haben und gibt Michael in ein Kinderheim. Sie selbst bekommt eine Anstellung bei der Wismut im Erzgebirge, damals eine sowjetische Aktiengesellschaft. Im Bergbau wird man gut entlohnt.

    Es dauert Jahre, bis sie ihren Jungen zurückholen kann, mittlerweile gibt es auch einen Stiefvater namens Kurt.

  • Auf der Suche


    Michael kann sich mit diesem fremden „Papa“ aber nicht anfreunden: Eines Abends stellt er die Mutter zornig zur Rede, er bedrängt sie, er möchte endlich den Namen seines richtigen Vaters wissen. Helene geht zur Küchenschublade, zieht ein vergilbtes Foto heraus und gesteht dem Sohn, dass sein Erzeuger ein Rotarmist gewesen sei.

    Fortan beginnt eine lange Zeit des Suchens: Michael möchte seinen Vater Mojssej kennenlernen. Es wird Jahrzehnte dauern, bis er ihn in Leningrad (heute St. Petersburg) aufspürt. Für eine Vater-Sohn-Beziehung wird es dann zu spät sein.

Für die meisten Mitmenschen galten Kinder wie die von Helene und Mojssej zu dieser Zeit als ungeliebte „Bankerte“ und „Bastarde“.
Frauen, die sich mit fremden Soldaten einließen, wurden zumeist als „Huren“ und „Verräterinnen“ angesehen.






Drei Fragen an Silke Satjukow:

Silke Satjukow

Professorin für Neuere Geschichte (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg)