Außerkraftsetzung der Verfassung
Das sogenannte Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 setzte die Reichsverfassung von Weimar außer Kraft. Die Demokratie bot das paradoxe Schauspiel, sich mit Mehrheit selber abzuschaffen.

Nach diesem Gesetz durfte die nationalsozialistisch dominierte Regierung ohne Zustimmung des Parlaments Gesetze erlassen, deren Inhalt von der Verfassung abweichen konnte. Die deutsche Sozialdemokratie leistete Widerstand.

Willy Brandt beschrieb 1983 die Atmosphäre rund um den 23. März:

  • „Wilhelm Sollmann, Chefredakteur der Rheinischen Zeitung und zeitweilig Reichsinnenminister, lag nach einem SA-Überfall schwer verletzt in einem Kölner Krankenhaus.

    Julius Leber (…) war schon verhaftet gewesen und wurde nun – die SA hatte eine Gasse gebildet, durch die die Abgeordneten mussten, als sie aus ihrer Fraktion kamen – auf dem Weg in die Plenarsitzung festgenommen.“ 

"Tag von Potsdam"
Der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe erinnerte 2002 an den Zusammenhang zwischen dem „Tag von Potsdam“ (21. März 1933) und die zwei Tage später anberaumte Abstimmung.

„Aus Instinkt verzichtete Hitler darauf, den Abschied vom Verfassungsstaat auf dem Verordnungsweg oder mit Gewalt zu vollziehen. Ein Schauspiel der Macht sollte die letzten Zweifler in den Reihen des national gesinnten Bürgertums überzeugen. Wer Rang und Namen hatte, war geladen, dem Potsdamer Spektakel beizuwohnen. Ausgeschlossen hatten die neuen Machthaber Sozialdemokraten und Kommunisten, von denen viele bereits verhaftet oder massiven Drohungen ausgesetzt waren.“

SPD leistet Widerstand
Die einzigen, die sich am 23. März im Parlament gegen diesen Prozess der Selbstentmachtung stemmten, waren die Sozialdemokraten. Ihnen war klar, dass sie das Gesetz nicht aufhalten konnten; sie setzten dennoch bewusst ein Zeichen des Widerstands. In der Fraktion wurde überlegt, wer das Wort ergreifen sollte.

SPD-Parteichef Otto Wels (Foto) riss die Aufgabe an sich, wie Manfred Stolpe ausführte:

„'Ich mache das.' Wels war gegen den Rat der Ärzte nach Hitlers Machtergreifung aus dem Sanatorium zurückgekehrt und litt an einer schweren Herz- und Leberkrankheit. Der Versuch, ihn umzustimmen, schlug jedoch fehl. Unnachgiebig erklärte er: 'Hier geht es um die Partei und die Ehre der Partei. [...] ein anderer Redner kommt für die Partei nicht in Frage, und ich erfülle nur meine Pflicht, wenn ich Hitler die gebührende Antwort gebe.'“

Otto Wels sprach im Reichstag die berühmten Worte:

  • "...Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht …

    Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus.

    Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten...."

Fazit
Zur Bedeutung der Rede von Otto Wels formulierte Willy Brandt: „1933, das Schicksalsjahr, so heißt es oft. Aber das war kein vorgezeichnetes Schicksal, das sich da erfüllte: Es war schlimmster Mutwille und grenzenloses Verbrechen – proklamiert, exekutiert und nicht verhindert.

Man wird jener Rede nur richtig gedenken können, wenn man zugleich erkennt, wie großartig sie war und wie begrenzt sie bleiben musste.“


O-Ton von Otto Wels (23.3.1933)

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