Rumänen und Bulgaren in Deutschland - Integration gelungen?

Vor einem Jahr wurde in Teilen der deutschen Bevölkerung und Medien sowie in einigen politischen Strömungen intensiv gegen Zuwander_innen aus Rumänien und Bulgarien polemisiert.

Schon damals zeigte sich, dass beide Zuwanderergruppen im großen und ganzen integrationspolitisch unauffällig waren (vgl. Wissenssnack 23.01.2014). Ein Jahr später hat die Friedrich-Ebert-Stiftung eine kompakte Studie "Zwischen Integration und Ausbeutung"  vorgelegt, die erneut die Lage bulgarischer und rumänischer Zuwander_innen in Deutschland in den Blick nimmt.

Der aktuelle OnlineAkademie-Wissenssnack greift mit "Sozialbetrug: Jagd nach einem Phänomen" und "Fazit" zwei Passagen heraus.

Auf einen Blick

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"Sozialbetrug: Jagd nach einem Phänomen"

Auszüge
 

  • (...) Auffällig ist dabei, dass das umfassende statistische Zahlenmaterial zur Situation von Rumänen und Bulgaren in Deutschland kaum Hinweise über mögliche Betrugsfälle beim Bezug von Sozialleistungen enthält. (...)

  • Die einzige Quelle, die Aufschluss über das Ausmaß von Sozialbetrug liefert, ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). (...) 

    Im Jahr 2013 gab es in beiden Kategorien zusammen 141 Tatverdächtige aus Rumänien und 54 Tatverdächtige aus Bulgarien, was ca. 0,05 Prozent der in Deutschland lebenden Bevölkerung aus beiden Ländern entspricht (PKS 2014).

  • (...) Neben dem Sozialbetrug ist auch der »Sozialtourismus«, ein zweites beliebtes Schlagwort in der Debatte, empirisch nicht nachweisbar (vgl. Jobelius / Stoiciu 2014). Eine Zuwanderung nach Deutschland zum Zweck des Erhalts von Transferleistungen ist auch schon deshalb kaum möglich, weil die deutsche Gesetzgebung verhindert, dass EU-Bürger im Rahmen der Freizügigkeit SGB-II Leistungen beziehen, ohne eine Erwerbsabsicht zu haben.

    Im November 2014 bestätigte ein Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH), dass diese Praxis europarechtskonform ist.

Anzahl rumänischer und bulgarischer Bevölkerung in Deutschland; M. Jobelius: "Zwischen und Integration und Zuwanderung" (FES 2015, S. 1)

"Fazit"

»Sozialtourismus« und »Sozialbetrug« sind, was sie immer waren: Hirngespinste politischer Marktschreier.

  • Auch einen »Ansturm« von Rumänen und Bulgaren hat es nach der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht gegeben. Im Jahr 2014 wuchs die Zahl der in Deutschland lebenden Personen aus beiden Ländern um rund 120 000.
  • Die Neuankömmlinge treffen auf einen Arbeitsmarkt, in den Rumänen und Bulgaren gut integriert sind, auf dem sie aber schlechter entlohnt werden, als andere Zuwanderer und auf dem sie oft nicht entsprechend ihres Qualifikationsniveaus beschäftigt sind.
  • Es ist auch ein Arbeitsmarkt, auf dem sich starke, zum Teil wachsende Gegensätze beobachten lassen: zwischen wertgeschätzten und ausgebeuteten Zuwanderern; zwischen regulär und prekär Beschäftigen; zwischen Rumänen und Bulgaren; zwischen Zuwanderern, die ihre Qualifikation nutzen können und solchen, die unter ihrer Qualifikation beschäftigt sind;

    zwischen Städten mit viel und Städten mit wenig Zuwanderung aus Südosteuropa; zwischen einem zufriedenstellenden Bild auf Bundesebene und großen regionalen Problemen; zwischen Kommunen mit vergleichsweise entspannter Arbeitsmarktlage und solchen, in denen die Kapazitäten für die Integration trotz starker Anstrengungen auf kommunaler Ebene nicht ausreichen.

Diese Gegensätze zeigen zugleich den politischen Handlungsbedarf auf. Und sie zeigen, dass eine informierte Diskussion über die bestmögliche Gestaltung der EU-Binnenmigration, über gelungene Integration von Arbeitnehmern aus der EU und über den Schutz ihrer Rechte weiter geboten bleibt.