1969 - 2019: Fünfzig Jahre Mondlandung





7. Welcher Sprung für welche Menschheit?



Der zweite Teil von Neil Armstrongs unsterblichem Satz "...ein riesiger Sprung für die Menschheit" sollte die weltumspannende Dimension der Mondlandung für kommende Generationen festschreiben.

Die USA waren für alle Menschen auf dem Mond gelandet. Ohne den universalistischen Aspekt in Abrede zu stellen, ist Armstrong aus heutiger Perspektive ein typischer us-amerikanischer, weißer Mittelklassemann aus dem Mittleren Westen (Ohio). Und damit auch nur eine Ikone für die Mehrheitsgesellschaft, der er entstammte?

Zwölf US-Astronauten betraten bis 1972 die Mondoberfläche.

Alan Shepard schlug auf der Mondoberfläche einen Golfball mehrere Hundert Meter weit, ein passenderes Symbol für die weiße Mittelschicht der USA hätte er sich nicht ausdenken können. Beim Weg der Menschheit ins All spielte Gender Mainstreaming bereits viel früher eine Rolle, auch wenn es damals noch nicht so hieß.


Am 16. Juni 1963 war die sowjetische Kosmonautin Valentina Tereshkova die erste Frau im Weltall.

Bis Juli 2016 waren 537 Menschen im Weltall, darunter 61 Frauen.

1993 war Eileen Collins die erste Pilotin und 1998 die erste Kommandeurin einer US Space Shuttle Mission.

Bis heute waren Menschen aus 24 verschiedenen Nationen im All, darunter auch aus - den Laien überraschenden Nationen wie - Afghanistan, Vietnam, Iran und Israel.


Von den Staaten, die in der European Space Agency ESA zusammenarbeiten, stellt Deutschland mit 41 Weltallreisenden die größte Gruppe, darunter ist bis heute keine einzige Frau.

Der Gender Gap ist zwar nicht so groß wie das Universum, aber in jedem Fall zu groß.

Zumindest mit erzählerischen Mitteln wurde in den letzten Jahren aufgeholt. In Alfonso Cuarons Spielfilm Gravity (2013) ist die Wissenschaftlerin Dr. Ryan Stone die Hauptfigur. Nach einem Unfall versucht sie zusammen mit einem Astronauten, in der Schwerelosigkeit zur internationalen Raumstation ISS zu kommen.

Der Film Hidden Figures - Unbekannte Heldinnen (2016) von Theodore Melfi erzählt die Geschichte von drei afroamerikanischen Mathematikerinnen, die in den frühen 1960er Jahren einen wesentlichen Beitrag zum Apollo-Programm und seinem Vorgänger, dem Mercury-Programm, leisteten.

Noch immer sind Auszeichnungen wissenschaftlicher Spitzenleistungen von Frauen in Naturwissenschaften eher eine Seltenheit. Unter den 22 Nobelpreisträgern in Physik seit 2010 war eine einzige Frau, die Kanadierin Donna Strickland für ihre Arbeiten zur Laserphysik.

Wird Greta Thunberg die Ikone des Kampfes gegen den Klimawandel? Wird man sich in 50 Jahren noch an sie erinnern? Oder ist der Ruhm im Internet schnell erreicht, aber auch schnell wieder vergessen? Wird jeder - wie der Konzeptkünstler Andy Warhol forderte - fünfzehn Minuten lang berühmt sein?


Neben den immensen Kosten ist das sehr hohe Risiko für die Raumfahrer_innen ein weiterer Grund, dass die bemannte Raumfahrt keinen hohen Stellenwert mehr hat. 17 Astronauten aus den Programmen der NASA kamen ums Leben. Nach der Columbia-Katstrophe wurde das Space Shuttle Programm beendet.

Da die drei Katastrophen - Apollo 1 1967, Challenger 1986, Columbia 2003 - alle um den 1. Februar geschahen, liegt der Remembrance Day, an dem die NASA um ihre Toten trauert, immer in diesem Zeitraum.

Braucht die Menschheit im 21. Jahrhundert noch Ikonen und unsterbliche Sätze? Braucht sie weitere Flaggen auf dem Mond? Brauchen wir bemannte Raumfahrt, wenn uns auf der Erde der Boden unter den Füßen zu heiß wird?


Heute ist es eher so, dass Wissenschaftler_innen eines bestimmten Instituts ihre Versuche und Forschungen anmelden, um einen Platz in der ISS zu erhalten.

Natürlich gibt es auch im 21. Jahrhundert noch Geheimforschung, aber die Menschheit ist darauf angewiesen zu teilen: Im Weltall teilt sie im Moment die Kosten, die Ressourcen und die Ergebnisse der ISS.